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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.04.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 120/02
Rechtsgebiete: UBG, StGB, StPO


Vorschriften:

UBG § 3
UBG § 1 Abs. 1
UBG § 3 Abs. 2
UBG § 7 Abs. 1
StGB § 66
StGB § 66 Abs. 3
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3
StPO § 304
StPO § 112
StPO § 311 Abs. 2
StPO § 453 c
1. Druchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des UBG vom 06. März 2002 (GVBl. LSA Nr. 12/2002, S. 80 f.) bestehen nicht.

2. Im Rahmen des § 1 Abs. 1 UBG kommt es nur auf die formalen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 bis 4 StGB an; die materielle Voraussetzung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nicht zu prüfen.

3. Hat die Strafvollstreckungskammer die Unterbringung des Betroffenen gemäß § 1 UBG angeordnet, kommt es für die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht darauf an, ob der Betroffene auch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch Strafhaft verbüßt.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1. Strafsenat

1 Ws 120/02 OLG Naumburg

In dem Unterbringungsverfahren

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg

am 23. April 2002

durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hennig, die Richterin am Oberlandesgericht Henze-von Staden und den Richter am Oberlandesgericht Sternberg

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluß des Landgerichts Halle -Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Naumburg- vom 18.03.2002,

mit dem das Landgericht die Unterbringung des Betroffenen in einer Justizvollzugsanstalt angeordnet hat,

wird verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

Der Betroffene hat bis zum 19.3.2002 eine Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen versuchten Totschlags aufgrund des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 26.11.1992 (21a Ks 19/92) verbüßt. Zuvor hatte er bereits eine zehnjährige Jugendstrafe wegen Mordes aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts Halle vom 3.8.1984 (BS 24/84 - 131-8-94) verbüßt. Das Landgericht Halle -Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Naumburg- hat durch Beschluß vom 18.3.2002 (31 StVK 89/02) die Unterbringung des Betroffenen nach dem Gesetz über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 6.3.2002 (UBG) angeordnet und zur Sicherung des weiteren Verfahrens Haftbefehl nach § 453 c StPO analog erlassen. Seit dem 21.3.2002 befindet sich der Betroffene in der Sozialtherapeutischen Anstalt Halle II. Der Betroffene wendet sich gegen die Unterbringungsentscheidung mit der sofortigen Beschwerde, die er jedoch nicht näher begründet hat.

Die nach § 3 Abs. 4 S. 2 UBG i. V. m. § 3 Abs. 2 UBG, § 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat die Unterbringung des Betroffenen zu Recht angeordnet.

Nach § 1 Abs. 1 UBG kann gegen eine Person, die unter den Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr.1 und Nr. 2, Abs. 2 bis 4 des Strafgesetzbuches eine zeitige Freiheitsstrafe verbüßt, die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt angeordnet werden, wenn aufgrund von Tatsachen, die nach der Verurteilung bekannt geworden sind, davon auszugehen ist, dass von dem Betroffenen eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer ausgeht, insbesondere weil er im Vollzug der Freiheitsstrafe beharrlich die Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels verweigert, namentlich eine rückfallvermeidende Psycho- oder Sozialtherapie ablehnt oder abbricht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit des Unterbringungsgesetzes.

Die Gesetzgebungskompetenz des Landes ergibt sich aus Art. 70 Abs. 1 GG. Danach steht das Recht der Gesetzgebung den Ländern zu, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Eine ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist vorliegend aber zu verneinen, denn das Unterbringungsgesetz knüpft zum Schutz der Bevölkerung vor rückfallgefährdeten Straftätern allein an die aktuelle Gefährlichkeit der vor der Entlassung aus dem Strafvollzug stehenden Strafgefangenen an und nicht etwa an die strafrechtlich bereits abgeurteilte Anlaßtat. Es handelt sich daher bei der Unterbringung um eine präventive Sicherungsmaßnahme zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Für die Gefahrenabwehr steht jedoch die Gesetzgebungskompetenz allein den Bundesländern zu.

Das Unterbringungsgesetz verstößt auch nicht etwa gegen Art. 103 Abs. 3 GG. Eine Doppelsanktionierung der Anlaßtat liegt nicht vor, weil sich die Unterbringung nicht an die Anlasstat anknüpft, sondern allein an die aktuelle Gefährlichkeit des Strafgefangenen (vgl. Peglau, ZRP 2000, 147, 148, 150).

Das Unterbringungsgesetz ist auch unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, denn es ist allenfalls mit einer nicht stets unzulässigen unechten Rückwirkung verbunden. Zwar stellt es für die Beurteilung der aktuellen Gefährlichkeit des betroffenen Strafgefangenen auch auf in der Vergangenheit liegende Umstände ab. Letztlich entscheidend für die Anordnung der Unterbringung ist indes die zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung gegebene gegenwärtige Gefährlichkeit. Das Gesetz regelt mithin keinen in der Vergangenheit bereits vollständig abgeschlossenen Sachverhalt (unzulässige echte Rückwirkung). Ein wie hier mit unechter Rückwirkung verbundenes Gesetz ist verfassungsgemäß, soweit das Interesse der Allgemeinheit das Vertrauen des Betroffenen auf den Fortbestand der ihm bis dahin günstigen Rechtslage überwiegt. So verhält es sich im Falle des Unterbringungsgesetzes. Das Interesse der Allgemeinheit an dem Schutz vor schweren Rückfalltaten überwiegt das Interesse besonders gefährlicher Straftäter an ihrer Entlassung nach Strafverbüßung.

Auch ein Grundrechtsverstoß gegen Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG liegt für den Senat nicht vor. Die persönliche Freiheit des Betroffenen kann durch ein formelles Gesetz eingeschränkt werden (Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG), soweit dieses materiell geeignet, erforderlich und angemessen ist, den verfolgten Gesetzeszweck, hier den Schutz der Allgemeinheit vor schwersten Straftaten von Rückfalltätern, zu erreichen. Dabei bedarf die Geeignetheit der Unterbringung von gefährlichen Rückfalltätern zum Schutz der Allgemeinheit keiner weiteren Erörterung.

Problematisch erscheint eher die Erforderlichkeit der Maßnahme vor dem Hintergrund, dass von dem jeweiligen Verurteilten nicht sicher gesagt werden kann, ob er im Fall der Entlassung tatsächlich schwerste Straftaten begehen wird. Da das Gesetz aber eine hohe Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftatbegehung (vgl. amtl. Begründung, Landtagsdrucksache 3/5167, S. 11) sowie eine regelmäßige Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung verlangt, ist die Erforderlichkeit der Unterbringung zu bejahen. Da das Unterbringungsgesetz mit der "erheblichen gegenwärtigen Gefahr" einen erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad zukünftiger Straftatbegehung postuliert, der auf der Basis zweier Sachverständigengutachten eine fundierte Beurteilungsgrundlage findet, ist die Unterbringung auch als angemessener Eingriff in das Freiheitsrecht des Strafgefangen im Vergleich zu den bedrohten Rechtsgütern der Bevölkerung zu erachten (vgl. Peglau, a. a. O., S. 150).

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 UBG liegen vor.

Der Betroffene verbüßte zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Unterbringungsentscheidung unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt des Landes Sachsen-Anhalt. Dabei kommt es nur auf die formalen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB an.

Zwar könnte die nach der Formulierung des Gesetzestexts auch in Betracht kommende uneingeschränkte Anwendbarkeit des § 66 Abs. 3 StGB nahelegen, über die Verweisung des § 66 Abs. 3 StGB auch die materielle Voraussetzung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu prüfen. Nach dem Zweck des UBG kann es insoweit aber nur auf die formalen Voraussetzungen des § 66 StGB ankommen, denn würde das Gesetz für seinen persönlichen Anwendungsbereich auch die materiellen Voraussetzungen, nämlich einen Hang zu Straftaten i. S. v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB bedingen, so wäre das UBG selbst auf Fälle anwendbar, in denen die Sicherungsverwahrung bereits in dem zugrundeliegenden Straferkenntnis -soweit rechtlich möglich- angeordnet worden war. In diesem Fall wäre aber die Anordnung der Unterbringung nach dem UBG obsolet. Das UBG will indes gerade die Fälle regeln, in denen die Sicherungsverwahrung im Strafurteil nicht angeordnet worden ist, sich aber aus nach der Verurteilung bekannt gewordenen Tatsachen ergibt, dass der betroffene Strafgefangene eine erhebliche Gefahr für die Rechtsgüter Dritter darstellt. Die Verweisung des § 1 Abs. 1 UBG auf § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 bis 4 StGB ist vielmehr entgegen dem Wortlaut - es bleibt dahingestellt, ob es sich angesichts Abs.1 um ein Redaktionsversehen handelt- so zu lesen, dass das UBG nur die Strafgefangenen erfaßt, die unter den formalen Voraussetzungen des § 66 StGB Strafhaft verbüßen. Der nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ferner für die Sicherungsverwahrung als materielle Voraussetzung erforderliche Hang zu erheblichen Straftaten ist durch die erhebliche gegenwärtige Gefahr nach § 1 Abs. 1 UGB ersetzt. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (Landtagsdrucksache 3/5167 S. 12 zu § 1 UBG), wo es heißt:"Zielgruppe der Regelung sind zu zeitiger Freiheitsstrafe verurteilte Straftäter, bei denen durch die Verurteilung die formalen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorliegen, ...".

Nach den formalen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB kann die Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn jemand wegen eines Verbrechens zu zeitiger Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wird und wegen mindestens einer solchen Straftat, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und mindestens zwei Jahre verbüßt hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Betroffene war vor der Verurteilung wegen versuchten Totschlags zu acht Jahren Freiheitsstrafe bereits wegen Mordes zu der für Jugendliche nach dem Strafrecht der ehemaligen DDR vorgesehenen Höchststrafe von 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden und hatte diese Freiheitsstrafe, die später gemäß Einigungsvertrag auf das Höchstmaß des Jugendgerichtsgesetzes von 10 Jahren verkürzt worden ist, zur Zeit der Nachverurteilung bereits mehr als zwei Jahre verbüßt. Er hat daher die gegenwärtige Freiheitsstrafe unter den formalen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB (§ 1 Abs. 1 UBG) verbüßt.

Dass der Betroffene zwischenzeitlich aus der Strafhaft entlassen worden ist, steht der Anordnung der Unterbringung nicht entgegen. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 UBG "Gegen eine Person, die eine zeitige Freiheitsstrafe verbüßt" könnte zwar nahelegen, dass die Unterbringung nur gegen eine Person angeordnet werden kann, die zur Zeit der Entscheidung über die Anordnung, mithin bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts, noch immer Strafhaft verbüßt. Diese Gesetzesauslegung hätte jedoch zur Konsequenz, dass rechtsfehlerhafte Ablehnungen beantragter Unterbringungen auf sofortige Beschwerde der Justizvollzugsverwaltung in den Fällen nicht mehr korrigiert werden könnten, in denen das Ende der Strafhaft vor Entscheidung des Beschwerdegerichts eintritt und der Betroffene entlassen wird. Dass eine solche Gesetzesauslegung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich aus § 3 Abs. 4 S. 1 UBG, der die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Anordnung, also der positiven wie auch der ablehnenden Entscheidung, vorsieht. Zudem sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Besserstellung derjenigen gefährlichen Strafgefangenen beabsichtigt hat oder auch nur in Kauf nehmen wollte, deren Strafhaft während des Rechtsmittelverfahrens, dessen Dauer von unterschiedlichen und zufälligen Faktoren abhängen kann, endet. Vielmehr muß nach dem verfolgten Gesetzeszweck davon ausgegangen werden, dass es für die Anordnung der Unterbringung jedenfalls genügt, wenn der Betroffene noch zur Zeit der erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung Strafhaft verbüßt. Ob die Anordnung der Unterbringung auch in den Fällen in Betracht kommen kann, in denen der Strafgefangene nach Antragstellung aber vor der erstinstanzlichen Gerichtsentscheidung aus der Strafhaft wegen Strafendes entlassen wird, kann hier unentschieden bleiben. Für die Auslegung des Senats spricht auch die Begründung zu § 1 UBG (S. 12, 13 der Begründung a. a. O. zu § 1 UBG), wo es heißt:"Die landesrechtliche Regelung knüpft an eine Strafverbüßung in einer Justizvollzugsanstalt des Landes an. Strafgefangene, die aus den Justizvollzugsanstalten anderer Länder nach Sachsen-Anhalt entlassen werden, bzw. nicht inhaftierte rückfallgefährdete Straftäter können mit dem Landesgesetz zur Unterbringung von hochgefährlichen Straftätern nicht erfaßt werden. Zu den formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung muß ein Vollzugsverhalten hinzutreten, das den Anknüpfungspunkt für die Anordnung der Unterbringung darstellt... Satz 2 stellt klar, dass allein das Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen auf die Fälle Anwendung findet, in denen es sich um psychisch kranke Personen handelt, die sich nicht (mehr) in Strafhaft befinden." Danach knüpft das Gesetz an die Voraussetzung der Strafverbüßung an, um einerseits die Zielgruppe zu bestimmen und andererseits die materielle Beurteilungsgrundlage der aktuellen Gefährlichkeit festzulegen, konstituiert die Strafverbüßung jedoch nicht als Selbstzweck. Das Gesetz will nur die nicht kranken Straftäter, die im Land Sachsen-Anhalt unter bestimmten Voraussetzungen Freiheitsstrafe verbüßen und nicht ohne Antrag nach § 1 UBG entlassen sind, erfassen. Ist ein Strafgefangener einmal aus der Strafhaft nach Vollverbüßung entlassen, ohne dass seine Unterbringung beantragt worden ist, verbietet schon der Vertrauensschutz eine nachträgliche Unterbringung. Auf diesen Vertrauensschutz kann sich indes derjenige entlassene Straftäter nicht berufen, der sich zur Zeit der erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung noch in Strafhaft befand und lediglich aufgrund rechtsfehlerhafter Entscheidung des Gerichts über die Unterbringung nach Strafende auf freien Fuß gesetzt worden ist. Auch die Unterbringung dieser Strafgefangenen erstrebt das Gesetz, soweit sie als gefährlich zu erachten sind.

Von dem Strafgefangenen geht auch aufgrund von Tatsachen, die nach der Verurteilung bekannt geworden sind, eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer aus (§ 1 Abs. 1 UBG). Der Betroffene ist zwar schon im Rahmen des Strafverfahrens 1992 durch Dr. med. habil. K. auf Einschränkungen seiner Schuldfähigkeit hin begutachtet worden. Aus dem Gutachten und dem Urteil der Strafkammer vom 26.11.1992 ergeben sich auch Anhaltspunkte für seinerzeit schon bekannte aggressive Neigungen des Betroffenen verbunden mit dem Hinweis der Kammer, dass der Betroffene dringend einer sozialpädagogischen und psychologischen Betreuung bedürfe, um nach den langen Jahren der Inhaftierung straffrei leben zu können. Dass der Kammer aber zur Zeit der Entscheidungsfindung bereits die nunmehr diagnostizierte dissoziale Persönlichkeitsstörung, insbesondere in der Schwere wie sie nunmehr bei dem Betroffenen diagnostiziert worden ist, bekannt gewesen wäre, läßt sich nicht feststellen. Vielmehr begründete erst das in den Gefangenenpersonalakten dokumentierte Vollzugsverhalten des Betroffenen den Verdacht, dass er gegenwärtig eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer darstellen könnte. So ist es im Laufe des Strafvollzuges, auch in jüngerer Zeit, immer wieder zu verbal-aggressiven Angriffen des Betroffenen auf Bedienstete gekommen, die auch wiederholt die Drohung enthielten, den jeweiligen Bediensteten nach der Haftentlassung zu töten. Zudem hat der Betroffene wiederholt trotz Kenntnis ihrer Erforderlichkeit eine rückfallvermeidende Sozialtherapie abgelehnt und dadurch beharrlich die Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels verweigert.

Dem Betroffenen war -wie schon erwähnt- bereits durch das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26.11.1992 bekannt, dass er psychologischer und sozialpädagogischer Betreuung bedarf, um seine Straftaten aufzuarbeiten und sich zukünftig straffrei verhalten zu können (s. UA Bl. 9, 10). Dementsprechend hat der Betroffene auch in der Zeit von 1995 bis 1997 regelmäßig an Gesprächen des Anstaltspsychologen L. teilgenommen. Aufgrund eigenen Bemühens des Strafgefangenen führte der Anstaltspsychologe B. in der Zeit vom 14.5. bis 21.8.1998 12 probatorische therapeutische Gespräche mit dem Gefangenen. In seiner psychologischen Stellungnahme vom 14.9.1998 führt der Anstaltspsychologe B. aus, dass die Therapiewilligkeit und -fähigkeit des Strafgefangenen zu bejahen und eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt aus psychologischer Sicht mit Nachdruck zu befürworten sei. In einem an den Strafgefangenen gerichteten Beschluß der Strafvollstreckungskammer vom 5.10.1998 heißt es daran anknüpfend, dass das Vollzugsziel ohne eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt nicht erreichbar sei. Nach zwei Gesprächen mit dem externen Therapeuten H. im Juni 1999 hat der Strafgefangene mit Schreiben vom 10.6.1999 (Bl. 39 Bd. 3 des Haftsonderheftes) eine weitere Teilnahme an den Gesprächen wie auch eine - von der JVA bereits betriebene- Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt abgelehnt. Dies vor dem Hintergrund, dass er nach dem letzten Gespräch mit dem Therapeuten 30 Minuten auf seine Rückführung innerhalb der JVA habe warten müssen. Die Strafvollstreckungskammer lehnte mit Beschluß vom 11.11.1999 die Strafrestaussetzung zur Bewährung erneut u.a. mit dem Hinweis ab, dass der Gefangene die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt abgelehnt habe. In einem Schreiben vom 23.11.1999 führte der Strafgefangene aus, er habe die Verlegung in die sozialtherapeutische Anstalt abgelehnt, da er in dieser Zeit eine Umschulung habe absolvieren können und die Erreichung eines Ausbildungsabschlusses für ihn wichtiger gewesen sei. Am 9.3.2000 widerrief der Gefangene seine Zustimmung zur Begutachtung durch das Rechtsinstitut für Rechtspsychologie in Halle. Erst unter dem Datum des 22.11.2000 konnte das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. nach anfangs widerstrebender Mitarbeit des Gefangengen erstellt werden. Hier wird zusammenfassend ausgeführt, dass eine Therapiemotivation des Gefangenen zur Zeit der Begutachtung nicht erkennbar gewesen sei. Am 13.9.2000 fand ein weiteres Gespräch zwischen dem Therapeuten H. und dem Betroffenen zum Zwecke der Wiederaufnahme der 1999 abgebrochenen Therapie statt. Wegen eingeschränkter Therapiefähigkeit des Betroffenen vermochte der Therapeut indes keine Therapieindikation zu stellen, so dass im gegenseitigen Einvernehmen auf eine Wiederaufnahme der Behandlung verzichtet wurde. Auch im Rahmen der Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer am 8.5.2001 wurde wiederum auf die Erforderlichkeit einer Psychotherapie hingewiesen. Im Beschluß der Strafvollstreckungskammer vom 18.5.2001 findet sich wieder der Hinweis, dass mit weiteren Gewalthandlungen des Gefangenen zu rechnen sei, wenn er keine Sozial- und/oder Psychotherapie absolviere. Trotz dieser zahlreichen wiederholten Hinweise auf die Erforderlichkeit einer Sozial-/Psychotherapie hat der Strafgefangene seine Einstellung dazu nicht geändert und an einer Therapieaufnahme nicht mitgewirkt. Vielmehr hat er auch die Begutachtung durch Prof. M. im Rahmen des Unterbringungsverfahrens abgelehnt, was letztlich nur so ausgelegt werden kann, dass der Gefangene kein ernsthaftes Interesse an seiner eigenen Persönlichkeitsstruktur und der Beseitigung seiner Persönlichkeitsstörung hat. Unter diesen Umständen stellt die Ablehnung der Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt und der Wiederaufnahme der Therapiegespräche mit dem Psychologen H. eine beharrliche Verweigerung der Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels dar und rechtfertigt ebenfalls die Annahme einer erheblichen Rückfallgefahr.

Im übrigen wird die durch die Persönlichkeitsstörung des Gefangenen begründete Gefährlichkeit auch durch die überzeugenden sachverständigen Stellungnahmen der Gutachter Prof. M. und Dipl.-Psych. R. und die Aussagen der zeugenschaftlich vernommenen Psychologen H. und B. belegt, die übereinstimmend -u.a. auch aufgrund der Vorbegutachtung des Betroffenen durch den Psychologen Dr. D. im Jahre 2000- zu der Überzeugung gelangt sind, dass bei dem Betroffenen eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit histrionischen Zügen vorliegt, die durch hohe Aggressivität, niedrige Frustrationstoleranz, defizitäre Empathiefähigkeit, Reizbarkeit, Impulsivität und Unberechenbarkeit charakterisiert ist. Angesichts dieser bei dem Betroffenen ausgeprägten Wesenszüge bedürfe es nur der kleinsten Konfliktsituation, um den nächsten unkontrollierten Gewaltausbruch des Betroffenen - insbesondere wenn Alkohol und Frauen involviert sind- zu verursachen. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftlichen Gutachten des Prof. M. (Bd. IV VH, Bl. 206 f.), des Dipl-Psych. R. (a. a. O., Bl. 1 f.), des Dr. D. (a. a. O. Bl. 87 f.) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 18.3.2002 (Bd. V VH, Bl. 1 f.) auch wegen der Vernehmungen der Zeugen B. und H. Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 7 Abs. 1 UBG.

Ende der Entscheidung

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